Mittwoch, 6. November 2019

Verliebt, verlobt, verheiratet!

Ich habe mich lange nicht gemeldet. Warum auch? Bilbo tut weiterhin seinen Dienst. Erst vorgestern habe ich einen weiteren persönlich gesetzten Meilenstein erreicht: einen Kreatininwert unter 1. Er war mit 0,97 zwar nur knapp drunter, aber er war drunter.

Einer der Gründe, weshalb ich mich länger nicht gemeldet habe, waren Hochzeitsvorbereitungen. Nachdem wir nun mehr als vier Jahre zusammen waren, davon schon 2,5 Jahre verlobt, traten wir nun auch der "Fraktion der Ringträger" bei, wie sich mein Nephrologe ausdrückte.

Was unterscheidet nun eine Hochzeit einer Transplantierten von der eines gesunden Menschen außer die pünktliche Tabletteneinnahme? Vielleicht sind es die Hochzeitsgäste. Denn erst, wenn man durch eine schwierige Zeit, mal wieder, gehen muss, bemerkt man, auf wen man zählen kann. Man lädt Menschen ein, die einem bei dem Weg durch Dialyse und Komplikationen nach der Transplantation begleitet und immer Mut zugesprochen haben. Deshalb waren auch Dialyseschwestern, ohne die ich die Zeit an der Dialyse nicht überstanden hätte, und auch der Urologe, der mich in der Reha nach der Transplantation insgesamt 6 Wochen täglich zum Ultraschall aufgemuntert hat, unter den Gästen.

An solchen Tagen bin ich meiner Spenderin besonders dankbar, da sie mir eine traumhafte Hochzeit beschert hat, auf der ich mit meinen Liebsten sorglos ausgelassen feiern und tanzen konnte.

Am 12.10.2019 ging es dann auch in die Flitterwochen. Es ging wie alle zwei Jahre nach Portugal. Wir verbrachten fünf Tage in Lissabon mit der Familie meines Mannes und anschließend ging es in eine klassische Hotelanlage auf Madeira in unsere Suite mit Meerblick und All-Inclusive zum Seele baumeln lassen.

Einfach wie andere Menschen auch ohne auf eine Dialyse in der Nähe achten zu müssen in den Urlaub zu fahren, ist für mich immer wieder ein Erlebnis von Dankbarkeit. Dankbar, dass ich mein Leben mit dem besten Ehemann der Welt genießen darf, bis dass der Tod uns scheidet! Wobei in unserem Kalender auch ein Kegeltermin im Jahr 2234 vermerkt ist. Frei nach: FÜR IMMER!





Samstag, 2. Juni 2018

HowTo: Dialyse

Heute begehen wir mal wieder den „Tag der Organspende“. Die bundesweiten Spenderzahlen sind weiter alarmierend. Während ich das Glück habe nun schon über ein Jahr mit meinem Bilbo das Leben genießen zu können, gehen andere Nierenkranke einem Teilzeitjob nach: der Dialyse.
Viele fragen wie sich Dialyse so anfühlt. Wenn man sich vorstellt, was während der Dialyse passiert, ist die Frage auch mehr als berechtigt.

Im folgenden spreche ich nur von der Hämodialyse, da ich nie Bauchfelldialyse hatte.

Ich begann meine Dialysekarriere im Alter von 12 Jahren über einen so genannten Sheldonkatheter im Hals, da es schnell gehen musste. Mein Kreatinin lag bereits bei 19,3. Erst ein paar Wochen später konnte der Shunt in meinen linken Unterarm gelegt werden. Während der Zeit bis der Shunt „reif“ wurde (er muss fleißig mit den allseits beliebten Anti-Stressbällen trainiert werden, um mehr Volumen zu bekommen), verbrauchte ich insgesamt drei Sheldon-Katheter, erst rechts, dann links und dann wieder rechts.

Die ersten Dialysen habe ich nur geschlafen. Der Körper war zu vergiftet, als dass ich überhaupt noch nachvollziehen könnte, was da passierte. Das einzige was mir in Erinnerung blieb, ist der Kommentar meines Bruders. Als er mich an der Maschine liegen sah mit den Schläuchen, die aus meinem Arm kamen, durch die das Blut in die Maschine gelangt, sagte er nur: „So viel Blut in meinem Zwerg!“

Erst nach und nach wurde mir bewusst, was da passierte. Das Blut wird quasi gewaschen. Je länger man dialysiert, umso mehr Giftstoffe kann die Maschine herausfiltern. Dabei handelt es sich meist um Phosphat, Kalium und Natrium. Zudem wird Wasser gezogen, da man als Nierenkranker in den meisten Fällen kaum oder gar keine Ausscheidung mehr hat. Man ist darauf angewiesen, dass die Maschine dem Körper überschüssige Flüssigkeit entzieht.

Nun zu der Frage: wie fühlt man sich? Das kommt darauf an. Wenn man in guter Tagesform ist und der Blutdruck durchgehend mitspielt, kann es eine angenehme Dialyse sein. Man merkt nichts, wenn beim Punktieren des Shunts alles gut geht. Dann hat man keine Schmerzen in den bei mir leider immer noch sehr zarten Gefäßen im Unterarm. Das lange Liegen führt manchmal dazu, dass man Schmerzen bekommt, wenn man eben falsch liegt. Zudem musste ich zumindest den Shuntarm auch immer ruhig stellen, da sonst die Maschine meckerte und Venen- oder Arteriendruck außer Kontrolle gerieten. Schwach fühlt man sich allerdings fast immer nach der Dialyse.

Wenn es eine schlechte Dialyse ist mit Blutdruckabfällen oder auch Schwindel, Übelkeit usw. kann es sich auch wie ein Marathonlauf anfühlen. Leider vertrug ich die Dialyse jetzt im Erwachsenenalter nicht mehr so gut wie damals. Während ich damals nach der Schule zur Dialyse ging und abends in der WG noch mit meinen Mitbewohnern gequatscht habe, war es diesmal so, dass ich mich danach erstmal 2 Stunden hinlegte, bevor nur irgendwas mit mir anzufangen war.


Während meiner Dialysezeit habe ich auch Wege gesucht mir die Dialyse angenehmer zu gestalten, sofern es möglich war. Außer dem tollen Frühstück vor Ort dienten der Dialysequalität folgende Tipps:

Dunkle Kleidung
Blutflecken sind keine schönen Flecken. Gerade weil man sich oft nach der Dialyse auf den Weg zur Arbeit, nach Hause oder sonst wohin macht, empfehle ich dunkle Kleidung, denn es wird häufig mal blutiger. Sei es beim Punktieren oder nach der Dialyse beim Abdrücken der Punktionsstellen.

Bequeme Kleidung
Eine Dialyse kann viele Stunden in Anspruch nehmen. Während ich damals an der Kinderdialyse nur 3,5 Stunden machen musste, hieß es mittlerweile nur noch „Dialysezeit ist Lebenszeit“. Daher erhöhte ich freiwillig meine Dialysezeit von 4 auf 5 Stunden erhöht hatte. Das lange Liegen im Krankenbett oder Sitzen auf den Dialyseliegen kann sehr unbequem sein. Deshalb sollte an den Anziehsachen nichts ziepen oder beengen. Ich trug meist eine Leggins oder Jogginghose und T-Shirt.

T-Shirt
Ich trug immer ein T-Shirt an der Dialyse. Dies lag einerseits daran, dass mir immer viel zu warm war andererseits konnte man so auch besser meinen Unterarm punktieren.

Dialysefrosch
Normalerweise werden die Schläuche durch die das Blut in die Maschine rein und aus der Maschine wieder rausläuft, an der Hand des Patienten befestigt. Dies schränkt die Funktion des Dialysearmes noch weiter ein und je nachdem wie fest die Schläuche angeklebt werden, kann es auch auf der Haut wehtun. Ein "Dialysefrosch" dient dazu, dass man ihn bspw am Bettlaken festmacht und die Dialyseschläuche durch ihn durchziehen kann. Somit hat man selbst keinen Kontakt zu den Schläuchen. Ich bekam einen an der Feriendialyse in Offenburg geschenkt und bin begeistert! Mehr unter: https://akut-dialyse.de/rotoclix.html

Externe Akkus oder Ladekabel
Die Dialysezeit kann sehr langweilig sein. Häufig schlafen Mitpatienten oder schauen Fernsehen. Da ich das heutige Fernsehprogramm nicht abkann, verbrachte ich die Dialysezeit meist am Smartphone oder Tablet. Damit diese Geräte im Dauerbetrieb die Dialysezeit durchhalten, ist es ratsam einen externen Akku oder ein langes Ladekabel, sofern freie Steckdosen vorhanden, mitzunehmen.

Kopfhörer
Andere Patienten sollten nicht mitbekommen, was man tut, bzw. will man es sich nicht mit denen verscherzen. Die aktuelle Spendenbereitschaft kann dazu führen, dass sowohl ich als auch mein Bettnachbar bis zu 10 Jahre auf eine Niere warten muss. Um den Frieden etwas länger aufrecht zu erhalten, sind Kopfhörer eine Wohltat.

Ich verbringe den heutigen Tag nicht an der Dialyse, sondern an einem Infostand zum Thema Organspende des Recklinghäuser Nierenkranke e. V.. Sollten euch noch Dialysetipps einfallen, gerne her damit!

Viele Grüße


Tajci

Freitag, 12. Januar 2018

Happy birthday - Bilbo arbeitet Vollzeit

Ein Jahr ist es nun her. Am 11. Januar 2017 erhielt ich "den Anruf" früh morgens um 2:12 Uhr. Es hieß ich könne mir etwas Zeit lassen, da die Explantation erst für den Mittag angesetzt war. Wir fuhren zwar aufgeregt, aber ohne Zeitdruck nach Münster. Es begannen die Blutuntersuchungen, Ultraschall und Röntgen. Gegen 9 Uhr kam ich nochmal an die Dialyse, damit die Niere nicht gleich überfordert ist. Um 14 Uhr verstarb dann meine Spenderin aus Österreich. Sie war gerade mal 50 Jahre alt. Ich weiß nicht, ob sie Kinder hatte, ob sie verheiratet war, wie sie gelebt hat, was ihr Spaß gemacht hat, aber ich weiß, dass sie mir hoffentlich viele, mindestens 1 Jahr, ohne Dialyse geschenkt hat. Dafür kann ich ihr gar nicht genug danken <3 eine Vermutung habe ich allerdings: sie hat kaum Kohlensäure zu sich genommen. Während bei mir Wasser vor der Transplantation gar nicht genug Kohlensäure haben konnte, ist es heute so, dass ich Kohlensäure nicht mehr gut vertrage und nur noch stilles Wasser trinke. Wer weiß, wer weiß? Vielleicht sollte ich mich nochmal an sämtliche Lebensmittel wagen, die ich zuvor nicht aß.

Am 12. Januar wurde ich dann um ca. 6 Uhr in den OP geschoben. Nach rund zwei Wochen arbeitete Bilbo ausreichend und die Dialyse war vorerst wieder Geschichte. Der Shunt läuft noch, aber erholt sich von den Strapazen der ganzen Fehlpunktionen während der Dialysezeit. Nach einer weiteren Operation, zwei Rehaaufenthalten und einem leichten Infekt kann ich sagen: mir geht es gut! Klar gibt es Tage an denen ich total kaputt und schlapp bin, aber immer noch fitter als an der Dialyse ;) das letzte Kreatinin am 10.01.2018 lag bei 1,3, der Spiegel ist super, der HB klasse - was will ich mehr? Dass es noch ewig so bleibt :)

Dieses Jahr war auch wieder der erste Urlaub ohne Dialyse. Es ging nach Portugal. Das war auch mit Dialyse noch der Plan, da ich bevor ich heirate die Verwandtschaft meines Verlobten kennen lernen wollte. Ich glaube die mochten mich ;) wir hatten zwei Wochen lang super Wetter, größtenteils gutes Essen, viel gesehen, kennen gelernt und eine schöne stressfreie Zeit! Nur der Strand war nicht so meins: ich bevorzuge Kies!

Die Planungen für dieses Jahr stehen auch schon fest. Es geht zwei Tage nach Wien, zwei Tage nach Freiburg, eine Woche nach Großbritannien, eine Woche nach Kiel und zwei Wochen endlich wieder nach Kroatien :) ich vermisse die Adria!

Für Januar 2019 ist eine Karibik-Kreuzfahrt schon gebucht. Frei nach dem Motto: solange man es kann, soll man leben und sich seine Wünsche erfüllen! Das war eigentlich schon für 2015 geplant, jedoch kam ich zwischenzeitlich leider wieder an die Nadel. Als ich dieses Mal meine Mutter fragte, ob wir nicht lieber 2020 fahren sollten, meinte sie nur: "wer weiß, ob dann noch die Niere läuft!" :D es klingt hart, aber je länger das Nierchen drin ist, umso wahrscheinlicher ist eine Abstoßung. Also: einfach machen.

Ich hoffe auf viele weitere Jahrzehnte mit Bilbo. Am Montag ist Jahrescheck in Münster. Da gibt es dann noch mehr Blut- und Untersuchungsergebnisse. Drückt mir bitte die Daumen!

Liebe Grüße

Tajci

Montag, 18. Dezember 2017

Wie erkennt man einen guten Nephrologen?

Eigentlich wollte ich einen Beitrag zum Thema "Dialysestart" schreiben. Darin sollte es darum gehen, was man als Patient beim Dialysebesuch beachten sollte, worauf die "Götter in Weiß" meist eher nicht kommen.

Jetzt geht es aber um den "Gott in Weiß", der in Jeans und Polohemd durch die Dialyse Heilbronn umherwanderte. Es geht um Prof. Dr. Michael Rambausek. Wenn er nicht in Heilbronn war, quälte er Studenten in Heidelberg. Hatte man nach einem Prüfungsmarathon einen Termin in seiner Praxis, erzählte er gerne von seinen Studenten und typischen Fehlern, die ihnen passierten.

Im März 2010, kurz nach einem unerklärlichem Anstieg der Nieren- und Leberwerte, wechselte ich wegen meines Studiums in die Nephrologische Ambulanz nach Heilbronn. Der erste Termin war schwierig zu bekommen, wie, so wie ich es mitbekomme, in allen nephrologischen Ambulanzen. Als ich dann die Vorstellung beim Prof. Rambausek hatte, fühlte ich mich gleich gut aufgehoben. Er interessierte sich nicht nur für meine lange "Diagnoseliste", sondern auch für mein Privatleben: Warum ich nach Heilbronn gekommen bin? Was ich bisher gemacht habe? Was ich nach meinem Studium noch vorhabe? Er nahm sich immer Zeit für seine Patienten. Dann nimmt man gerne längere Wartezeiten in Kauf. Ich zumindest ;) In der Praxis selbst arbeiten drei Ärzte, aber wie "Rambo" gerne sagte: "Frau Kordic nehme ich!" Es passte einfach.

Ich weiß noch, als ich das erste mal den europäischen Kontinent mit einer Kreuzfahrt verlassen wollte. Es sollte unter anderem nach Tunesien und Ägypten gehen. Ich frage, ob ich denn noch irgendwelche Impfungen benötigen würde. Er nur: "Haben Sie vor dort Sex zu haben?" Ich nur: "Ich habe einen Freund!" Er wiederholte seine Frage. Wir lachten. Ich verneinte. Er antwortete, dass dann schon alles ok sei.

Er ermutigte die Patienten, das zu tun, was sie für richtig hielten. Auf das Bauchgefühl hören und nicht wie in manchen TX-Zentren üblich sich an alle "Verbote" akribisch zu halten.

Im März 2014, 4 Jahre später in denen ich ca. alle 6 Wochen bei ihm zur Kontrolle war, kam ich während eines Aufenthaltes zu Hause (in der Nähe von Münster) wieder an die Dialyse. Die Ärzte der Uni-Klinik Münster telefonierten vorsorglich schon mit Heilbronn und richteten mir nur aus: "Da ist ein Arzt. Der heißt irgendwas mit Ram... Er wünscht Ihnen alles Gute und dass Sie wann immer Sie wollen zu ihm in die Dialysepraxis kommen können. Egal in welche Schicht Sie möchten. Er kümmert sich darum." 6 Wochen später war es dann auch so weit und ich setzte mein Studium in Heilbronn fort. Parallel dazu nun auch natürlich mit Dialyse am Abend von 18 - 23 Uhr.

Die erste Dialyse hatte ich in der Mittagsschicht, da die Spätpatienten erst mal den Umgang mit der Maschine erlernen müssen. Er kam zu meiner 1. Dialyse in Heilbronn persönlich vorbei. Er erkundigte sich wie es mir geht und machte mir Mut, dass schon alles klappen wird (zu dem Zeitpunkt stand mein Vater für eine Lebendspende auf dem Plan). Er ging aus dem Zimmer und meine Mutter fragte mich: "Wer war das denn?" Ich nur: "Der Professor hier." Ich hatte ihr schon ab und an mal von ihm erzählt. Ihr Kommentar: "Er sah aus wie ein Bauarbeiter!". Ja, genau so war er. Meist in Jeans und Hemd und total ungezwungen. Nach einer Woche Mittagsschicht kam ich in die Spätdialyse. Ich freute mich immer, wenn er Dienst hatte. Die anderen Ärzte waren zwar auch sehr kompetent und super nett, aber bei ihm war es persönlicher.

Eines Tages kam er in das Dialysezimmer an meine Liege und meinte nur: Na, meine Freundin. Geht es dir gut?" Ich nur: "Wie immer und dir?" Von dem Zeitpunkt an war klar, dass wir uns duzen. Er war auch immer sehr charmant und humorvoll. Das ist auch wichtig: Nie den Humor verlieren! Und dennoch konnte man immer mit ihm persönlich reden, wenn es mal um etwas Persönliches ging.

Warum ich das gerade heute schreibe? Ich habe vor ca. 1 Stunde von einer ehemaligen Mitpatientin erfahren, dass er am Samstag, den 16.12.2017 im Alter von 63 Jahren an einer schweren Erkrankung verstorben ist. Gerade erst vor wenigen Wochen schrieb ich eine längere Mail an das Zentrum, um ihm und auch dem ganzen Personal zu schreiben, wie gut es mir jetzt mit der neuen Niere geht. Ich habe mich für die Zeit in Heilbronn bedankt und hatte auch vor, demnächst mal vorbei zu sehen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das letzte Mal Anfang Januar 2015 da war und die ganze Zeit lediglich über Grüße ausrichten ließ, wie es mir geht. Was sagt uns das? Nichts aufschieben!

Also, wenn ihr die Diagnose eines Nierenleidens habt und einen Nephrologen sucht, hoffe ich, dass ihr so viel Glück haben werdet, wie ich es hatte. Ein Arzt, der sowohl kompetent als auch menschlich einfach toll war. Der sich für alle Belange, auch Persönliche, die den Patienten betreffen, die Zeit nimmt, die es braucht. Der immer ein offenes Ohr hat und auch mal Patientinnen Mut machen möchte, sich vielleicht doch nochmal listen zu lassen ;) Ein Arzt, der einem das Gefühl gibt, dass einem alle Wege offen stehen und man mehr auf sein Bauchgefühl hören soll statt auf "Regeln".

Ich wünsche seinen Angehörigen vor allem nun zum bevor stehenden Weihnachtsfest viel Kraft.

Danke für alles!

Montag, 24. Juli 2017

Sweet 16 – eine neue Niere ist wie ein neues Leben!

Heute am 24. Juli 2017 feiere ich meinen 16. Geburtstag. Da ich schon 29 bin, könnt ihr euch denken, dass es sich dabei nicht um einen normalen Geburtstag handelt. Es handelt sich um den so genannten „2. Geburtstag“. Viele Transplantierte zünden an ihrem „2. Geburtstag“ eine Kerze für den verstorbenen Spender an. Meine Spenderin lebt noch und erfreut sich bester Gesundheit. Woher ich das weiß? Am 24. Juli 2001 erhielt ich eine Niere meiner Mutter. Zuvor werden natürlich auch beim Empfänger einige Tests gemacht und geschaut, ob er überhaupt fit genug ist für eine Transplantation. Erst wenn das der Fall ist, kommt man überhaupt auf „die“ Warteliste von Eurotransplant.

Ich war bereits etwas über ein Jahr an der Dialyse und die Vereinbarkeit von Schule, Internatsleben und Dialyse wurde immer schwieriger. Zudem führen lange Wartezeiten bei Kindern häufig zu Entwicklungsverzögerungen. Für meine Eltern und Geschwister stand außer Frage, dass sie mir eine Niere spenden wollen. So wurden sie alle getestet. Damals war es noch nicht möglich blutgruppeninkompatibel zu spenden, sodass meine Schwester und mein Vater nicht in Frage kamen. Aufgrund meiner Unterbringung im Internat war ich während der Schulzeit in Marburg und in den Ferien in Münster an der Kinderdialyse. Marburg meinte, dass meine Mutter aufgrund ihres Bluthochdrucks als Spenderin nicht in Frage käme, wohingegen Münster sofort meinte: „Quatsch, den stellen wir ein und dann geht das.“ Das hört man in der Situation natürlich als Elternteil gern. Man will schließlich, dass das Kind so normal und gesund wie möglich leben kann. Also stand fest: in den Sommerferien wird transplantiert. Ein Kinderchirurg fragte mich noch, was ich denn mache, wenn die Niere eines Tages nicht mehr funktioniert. Mein 13-jähriges Ich antwortete: „Sie hat ja noch eine Niere!“.

Ich machte mir zu keiner Zeit irgendwelche Gedanken, dass es nicht klappen könne oder dass meiner Mama etwas passieren könnte. Erst später konnte ich nachvollziehen, dass der 24. Juli 2001 wahrscheinlich einer der schlimmsten Tage im Leben meines Vaters war. Während ich fröhlich mit den Sozialarbeitern der Kinderdialyse Münster noch Uno spielte und meistens gewann, stand er im Zimmer und wusste, dass gleich meine Mama in den OP kommt und darauf „tatina sura“ (Papas Mädchen). Vielleicht hatte ich auch die Ruhe weg, weil meine Mama und ich uns im Vorfeld noch kleine Kuschelbären gekauft haben, die gleich aussahen und die die ganze Zeit auf dem Nachttisch im Krankenhaus verbrachten als Glücksbringer. Aber das ist nur eine Vermutung. Ich habe den Bären noch, wie ihr dem beigefügten Foto rechts entnehmen könnt. Von der Kinderdialyse selbst gab es einen Löwen als Kuscheltier. Auch diesen habe ich noch. Der ist allerdings nicht so fotogen ;) Da ich mein Lieblingskuscheltier von zu Hause nicht mitbringen durfte (es war schon sehr alt und dreckig) schenkten mir meine Geschwister einen Bären als Kuscheltier. Ja, auf Kinderstationen wimmelt es von jeglichem Getier. 


Sowohl bei der 1. als auch bei der 2. Transplantation war mein Papa da, als ich auf die Intensiv zurück kam. Dort verbrachte ich damals lediglich 3 Tage. Bereits am 3. Tag wurde ich meinen Blasenkatheter los und es hieß: trinken, trinken, trinken! Meine Mutter lag ganz in der Nähe und kam mich auch gleich am Tag nach der OP mit allerlei Schläuchen besuchen. Erst vor kurzem zeigte sie mir wo sie und ich lagen. Da hat sie wirklich einen langen Weg auf sich genommen. Danach ging es für mich auf die Kinderstation in die Türme. Dort lag ich in Quarantäne. Alle durften nur mit Mundschutz und Kittel rein und ich durfte nur nachts auf der Station rumlaufen, wenn alle anderen Kinder schliefen und die Nachtschwester etwas Zeit hatte. Wir spielten dann häufig Uno. Meine Mutter wurde nach 5 Tagen entlassen. Kurze Zeit später musste sie nochmal kurz vorbeischauen, da sie die Warnungen der Ärzte nicht ernst nahm und flefißig wie sie ist, mal wieder staubsaugen wollte. Das war noch etwas zu viel Anstrengung. Nach insgesamt 2,5 Wochen ging es auch für mich nach Hause. Nun hieß es noch ungefähr 2 Monate schulfrei (bis etwa nach den Herbstferien) und Mundschutz tragen. Danach ging es leider mit 3 Monate lang wöchentlichen Harnwegsinfekten weiter, aber das war alles erstmal nichts im Gegensatz zur Dialyse.

Es war das schönste Geschenk was meine Mutter mir machen konnte. Ich konnte endlich wieder leben wie alle anderen auch. Kein Extraessen mehr in der Schule, kein Extrawasser für mich in der WG, keine verpassten Nachmittagsstunden mehr wegen Dialyse und der Notenschnitt fiel in den Keller. Während ich die Dialysezeit vor allem für Hausaufgaben und zum Lernen nutzte, hatte ich nun viel mehr Zeit für so tolle Dinge wie Freunden, Chorproben, Jungs, Theater AG, usw. Ich war auf einmal ein ganz normales Mädchen mit Wünschen wie jedes andere Mädel auch. Außerdem war das Verhältnis zu meiner Mutter dadurch in keiner Weise gestört oder irgendetwas. Ich glaube sogar im Gegenteil. Sie sah ein, dass es eine Spende ist und vertraute mir mit diesem wertvollen Geschenk schon gut umzugehen. Zumal es in der Klinik damals nur hieß: „Nun kannst du wieder alles machen!“, weshalb ich auch schon 3 Monate nach der Transplantation wieder am Reitunterricht teilnahm und im Stall Hufe auskratzte, wie alle anderen eben auch.

Ohne diese Niere wäre ich jetzt nicht da wo ich jetzt bin. Es wäre noch schwieriger gewesen mein Abitur zu schaffen. Ich sehe es daran, wenn ich mich mit anderen unterhalte, die im Schulalter erkrankten. Viele haben Probleme einen Schulabschluss zu erhalten. Danach dasselbe mit der Ausbildung. Ich habe es geschafft. Aber vielleicht auch nur, weil ich auf der Carl-Strehl-Schule der Blindenstudienanstalt Marburg war. Eine Regelschule, hätte vielleicht nicht häuftiger mal Rücksicht genommen. Nach meinem Abitur hatte ich die Möglihckeit noch eine Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin zu machen. Nach einem halben Jahr ohne Job ging es für mich an die Hochschule Heilbronn. Dort habe ich Tourismusmanagement studiert und erfolgreich abgeschlossen. Nebenbei kam das Leben nie zu kurz. Ich reise gerne, bin viel unter Leuten und damals auch noch in dem Alter wo ich Festivals mit campen total toll fand. Heute bin ich eher derjenige, der sich in der Nähe vom Festivalgelände ein Zimmer bucht. Bin zu alt ;)

Ein besonderer Tag war und ist immer noch der 24. Juli dabei. An dem Tag habe ich jedes mal etwas besonderes gemacht. Entweder mit der Familie chic essen gegangen, mit Freunden Party gemacht oder einmal, 2010, wollte ich auch zur Loveparade. Gott sei Dank hat meine Freundin verschlafen und konnte nicht mehr rechtzeitig aus Hannover anreisen, sodass ich stattdessen an meinem 9. Geburtstag mit der Familie Eis essen ging. Für mein 3. Geburtstag plane ich auch bereits grob. Am 11. Januar, dem Todesdatum meiner Spenderin, werde wohl auch ich eine Kerze in Gedenken an sie anzünden. Mein Vater hat bereits kurz nach der Transplantation in der Kirche den Pastor darum gebeten, sie in die Gebete für die Verstorbenen der Gemeinde mit aufzunehmen, was natürlich gemacht wurde. Am 12. Januar werde ich dann wohl mit den letzten Vorbereitungen für meinen Geburtstag zugange sein. Am 5. Januar werde ich 30 und am 12. Januar wird meine 3. Niere ein Jahr alt. Wenn das mal kein Grund ist zu feiern. Diesen Geburtstag habe ich dann sowohl meiner Mutter als auch der unbekannten Spenderin zu verdanken. Wer weiß, ob ich es ohne die Spende meiner Mutter noch lange geschafft hätte.

Danke Mama, dass du mir mein Leben erneut geschenkt hast. Ich weiß, dass du und Papa es jederzeit wieder tun würdet, wenn es ginge, auch wenn ihr euch auch negative Erfahrungen mit dem Thema Lebendspende angehört habt. Ich habe die beste Familie im Rücken, die ich mir nur wünschen kann. Danke, dass ich mich immer auf euch verlassen kann und ihr immer für mich da seid. Euch muss man einfach lieb haben.